Immobilienfonds meiden bzw. reduzieren!

Die Rücknahme der Anteilscheine von Immobilienfonds kann unter gewissen Umständen ausgesetzt werden. In solchen Fällen kann das in den Fonds investierte Geld für den Anleger mehrere Jahre lang nicht verfügbar sein. In Anbetracht des gesetzlichen Gebots der Sicherheit sollte Mündelgeld daher keinesfalls überwiegend in Immobilienfonds investiert werden.

Das sollten gesetzliche Vertreter wissen:

  • Immobilienfonds sind Alternative Investmentfonds, die vor allem in bebaute oder unbebaute Grundstücke und in Superädifikate investieren, d.h. in illiquide Vermögenswerte.[37] Die für einen Immobilienfonds ausgegebenen Anteilscheine verbriefen keine Miteigentumsanteile am Fondsvermögen, sondern nur schuldrechtliche Ansprüche gegen die Kapitalanlagegesellschaft, die den Fonds verwaltet und in deren Treuhandeigentum das Fondsvermögen steht.[38]
  • Jeder Immobilienfondsanleger hat nach Ablauf einer Mindesthaltefrist von insgesamt 24 Monaten und einer Rückgabefrist von 12 Monaten das Recht zur täglichen Rückgabe seiner Anteilscheine, d.h. nach Ablauf dieser Fristen ist ihm sein Anteil am Fondsvermögen aus diesem auszubezahlen.[39] Die Verbindung illiquider Vermögenswerte mit einer Verpflichtung zur täglichen Rücknahme schafft allerdings eine Fristeninkongruenz und somit das Risiko, daß ein Immobilienfonds nicht über ausreichend liquide Mittel verfügt, um seiner Verpflichtung zur Rücknahme von Anteilen tatsächlich nachzukommen.
  • Immobilienfondsverwalter sind zu einer Aussetzung der Rücknahme von Anteilscheinen berechtigt, um währenddessen durch Immobilienverkäufe die zur Auszahlung der Anleger erforderliche Liquidität beschaffen zu können. In Österreich machte z.B. die LLB Immo Kapitalanlagegesellschaft im Oktober 2023 von diesem Recht Gebrauch und setzte die Rücknahme von Anteilscheinen des LLB Semper Real Estate Immobilienfonds aus.[40] Die Anleger dieses Fonds können ihre Anteilscheine seither nicht zu Geld machen.

Liquiditätsbedarf kann durch Aussetzung von Rücknahmen meist nicht gedeckt werden.

Es zeigte sich in der Praxis deutlich, daß die Nervosität der Anleger nach einer erstmaligen Aussetzung der Rücknahmen erst recht weitere Rücknahmeforderungen erzeugt, so daß sich die neu beschaffte Liquidität der Immobilienfonds wieder als nicht ausreichend erweist. So konnten z.B. in Deutschland nach der Einführung gesetzlicher Mindesthaltefristen im Jahr 2011 zahlreiche deutsche Immobilienfonds ihrer Verpflichtung zur Rücknahme von Anteilscheinen nicht nachkommen und machten daher von einer Aussetzung der Rücknahmen Gebrauch.[42] Es erwies sich jedoch als unmöglich, die zunehmenden Rücknahmeforderungen der Anleger innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen befriedigen zu können; die Fonds waren nach deutschem Recht daher abzuwickeln. Die Abwicklung von Immobilienfonds – und folglich auch die Auszahlung der Anleger – dauert allerdings mehrere Jahre, in einigen Fällen sogar mehr als 10 Jahre.[43]

Aussetzung von Rücknahmen unterliegt in Österreich keiner zeitlichen Beschränkung.

Hinsichtlich einer Aussetzung der Rücknahmen von Immobilienfonds besteht zwischen den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Österreich ein für Anleger sehr bedeutsamer Unterschied: Nach deutschem Recht kann der Anspruch des Anlegers auf Rücknahme seiner Anteile höchstens 36 Monate lang ausgesetzt werden. Nach Ablauf der Frist von 36 Monaten kann jeder Anleger verlangen, daß ihm sein Anteil am Sondervermögen aus diesem ausbezahlt wird.[44] Sollte der Fonds die Rücknahmeforderungen dann immer noch nicht befriedigen können, ist er abzuwickeln, d.h. alle Immobilien sind schrittweise zu verkaufen und die Erlöse an die Anleger auszuschütten.[45]

Das österreichische Immobilieninvestmentfonds-Gesetz kennt hingegen keine absolute Befristung für die Aussetzung der Rücknahmen, geschweige eine Verpflichtung zur Abwicklung des Fonds nach Fristablauf. Die Kapitalanlagegesellschaft wird lediglich zur Veräußerung von Vermögenswerten verpflichtet, „sobald dies zu angemessenen Bedingungen möglich ist“.[46] Anleger eines österreichischen Immobilienfonds können daher vor dem Problem stehen, dass ihr Geld auf unbestimmte Zeit in dem Fonds gebunden ist.

Praxistipp

In Anbetracht des gesetzlichen Gebots der Sicherheit und der daraus resultierenden Verpflichtung zum Schutz des Mündelvermögens vor Liquiditätsrisiko sollte der Anteil von Immobilienfonds am Mündelvermögen daher – wenn überhaupt – höchstens 10 % betragen.

Hoffentlich erwies sich der Inhalt dieser Seite für Sie als nützlich und beantwortete möglichst viele Ihrer Fragen. Wenn Sie weitere Fragen über die Anlegung von Mündelgeld haben, steht Ihnen der Autor Mag. Alexander Giuliani dafür als Sachverständiger und unabhängiger Vermögensberater zur Verfügung.

[37] § 21 ImmoInvFG.
[38] § 6 Abs 1 ImmoInvFG.
[39] § 11 Abs 1 ImmoInvFG.
[40] Quelle: Bekanntmachung der LLB Immo Kapitalanlagegesellschaft vom 23.10.2023.
[42] Beispiele betroffener deutscher Immobilienfonds: AXA ImmoSelect, SEB Immoinvest, CS Euroreal.
[43] Nachdem der Verkauf aller Immobilien des dt. Immobilienfonds CS Euroreal bis dahin bereits über 7 Jahre gedauert hatte, wies im Jänner 2020 die Commerzbank AG in ihrer Rolle als Depotbank darauf hin, daß eine finale Auflösung des CS Euroreal nicht vor dem Jahr 2029 zu erwarten sei.
[44] § 257 Abs 3 dt. KAGB.
[45] § 257 iVm § 100 dt. KAGB.
[46] Vgl. § 11 Abs 2 ImmoInvFG.