Rendite

Die Präzisierung des Rendite-Begriffs erfordert eine Definition für Zeitpunkte; diese werden im Folgenden mit dem Buchstaben t und einer reellen Zahl x in der Form t(x) bezeichnet, wobei für jeweils 2 reelle Zahlen x und y mit x < y gelten soll, daß t(x) einen im Verhältnis zu t(y) früheren Zeitpunkt repräsentiert.

Die nominelle Rendite r einer Anlegung a für den Zeitraum zwischen t(x) und t(y) mit x < y ist definiert als

Formel Nominelle Rendite

wobei at(x) und at(y) jeweils die Marktpreise von a in den Zeitpunkten t(x) bzw. t(y) bezeichnen.

Beispiel: Nominelle Rendite

Eine Investition von € 100 in österreichische Bundesanleihen am 31.12.2018 hatte am 31.12.2023 inklusive reinvestierter Kupons einen Wert von € 90, weshalb die nominelle Rendite in diesem Zeitraum Beispiel Formel-nominelle Rendite beträgt.

Bei den vorgenannten Marktpreisen at(x) und at(y) handelt es sich um die in einer modernen Währung (z.B. in Euro oder US-Dollar) ausgedrückten Bewertungen der Anlegung a in den Zeitpunkten t(y) bzw. t(x). Moderne Währungen sind allerdings sog. Fiatgeld, das im Gegensatz zu Warengeld (wie z.B. Gold) keinen inneren Wert besitzt. Der Wert von Fiatgeld wird daher ausschließlich von seiner Kaufkraft bestimmt, die vom im Bewertungszeitpunkt bestehenden Preisniveau der Waren und Dienstleistungen abhängt. In Österreich wird die Entwicklung des Preisniveaus von Waren und Dienstleistungen durch den Verbraucherpreisindex gemessen.

Ein Vergleich von Geldbeträgen zu verschiedenen Zeitpunkten erfordert daher, um wirtschaftlich sinnvoll zu sein, daß die zwischen diesen Zeitpunkten registrierte Veränderung des Verbraucherpreisindex (d.h. Inflation oder Deflation) berücksichtigt wird. Zu diesem Zweck wird at(y) durch Abzinsung mit der zwischen t(x) und t(y) registrierten Inflationsrate i auf das im Zeitpunkt t(x) bestehende Preisniveau gebracht. Durch einfaches Hinzufügen dieser Abzinsung in (5) läßt sich die reale Rendite Formel Alpha definieren:

Formel Reale Rendite

Aus (5) ergibt sich für at(x) = 1, daß at(y) = 1 + r gilt, woraus man durch Einsetzen in (6) bereits die sog. Fisher-Gleichung (7) erhält, mit welcher die Realrendite Formel Alpha aus der entsprechenden Nominalrendite r und der Inflationsrate i berechnet werden kann:[99]

Formel Nominalrendite

Beispiel: Reale Rendite

Im Zeitraum zwischen 31.12.2018 und 31.12.2023 beträgt die Nominalrendite österreichischer Bundesanleihen -10 % und die Inflationsrate 25 %. Für diesen Zeitraum ergibt sicher daher gemäß (7) aus der Rechnung Formel Beispiel Reale Rendite eine Realrendite von Bundesanleihen in Höhe von -28 %.

Die wirtschaftliche Beurteilung einer Investitionen anhand der Betrachtung von Nominalrenditen würde unterstellen, daß der Verbraucherpreisindex und daher auch die Kaufkraft von Fiatgeld während der Laufzeit dieser Investition unverändert blieben. Diese Unterstellung führt zu wirtschaftliche widersinnigen Schlußfolgerungen und wird daher von Ökonomen als Geldwertillusion bzw. als „Money Illusion“ bezeichnet. Unter Geldwertillusion wird der weit verbreitete Fehler verstanden, einen Geldbetrag nicht mit seiner aktuellen Kaufkraft zu bewerten, sondern mit einer Kaufkraft, die er zu einem früheren Zeitpunkt besaß.

Beispiel: Vergleich von Geldbeträgen zu verschiedenen Zeitpunkten

Um einen Betrag von € 100 im Jahr 2023 mit € 100 aus dem Jahr 2003 vergleichen zu können, müssen diese € 100 – zur Vermeidung von Geldwertillusion – mit ihrer jeweiligen Kaufkraft in den Jahren 2003 bzw. 2023 bewertet werden. Es ist daher zu berücksichtigen, daß der Verbraucherpreisindex in den 20 Jahren zwischen Dez. 2003 und Dez. 2023 insgesamt um rund 67 % gestiegen ist. Im Jahr 2023 entsprachen daher erst € 167 jenem Realwert, den € 100 im Jahr 2003 hatten. € 100 verfügten hingegen im Jahr 2023 nur noch über ca. 60 % jener Kaufkraft, die ein Betrag von € 100 im Jahr 2003 besaß (1 / 1,67 = 0,60).

Der Begriff Geldwertillusion wurde bereits 1920 vom amerikanischen Wirtschaftswissenschafter Irvine Fisher geprägt, der ihm schließlich auch ein ganzes Buch widmete.[100] Die Erforschung der Gründe und Auswirkungen von Geldwertillusion hat also in der Wirtschaftswissenschaft bereits lange Tradition. Spätestens seit den 1980er-Jahren ist Geldwertillusion auch Gegenstand verhaltenspsychologischer Forschung. Wissenschafter zeigten am Beispiel der USA, daß Geldwertillusion ein weit verbreitetes Phänomen ist, welches sich unter anderem daran äußert, daß zahlreiche Gesetze und Verträge gar keine oder nur unzureichende Inflationsindexierungen enthalten.[101] Gleiches gilt auch für österreichisches Recht – siehe Beispiel unten.

Der Grund für Geldwertillusion liegt nach Auffassung von Verhaltenspsychologen insbes. an dem für alle Menschen ungewohnten Umgang mit einer sich ständig ändernden Maßeinheit; während nämlich andere Maßeinheiten – wie etwa Kilogramm für Gewicht oder Meter für Länge – offensichtlich konstant bleiben, ändert sich hingegen der Realwert von Währungseinheiten (Euro, Dollar usw.) durch Inflation laufend.[102]

Beispiel: Geldwertillusion im österreichischen Recht

Gemäß § 49 Jurisdiktionsnorm beträgt die Streitwertgrenze zwischen Bezirks- und Landesgerichten seit Ende 2012 € 15.000. Der Verbraucherpreisindex stieg zwischen Dez. 2012 und Dez. 2023 um rund 37 %. Die gesetzliche Streitwertgrenze müßte daher per Ende 2023 bereits rund € 20.500 betragen, um in realer Hinsicht € 15.000 aus dem Jahr 2012 zu entsprechen. Sofern der Gesetzgeber also nicht beabsichtigt, Landesgerichte zugunsten von Bezirksgerichten höher zu belasten, handelt es sich hierbei offenbar um einen Fall von Geldwertillusion.

Hoffentlich erwies sich der Inhalt dieser Seite für Sie als nützlich und beantwortete möglichst viele Ihrer Fragen. Wenn Sie weitere Fragen über die Anlegung von Mündelgeld haben, steht Ihnen der Autor Mag. Alexander Giuliani dafür als Sachverständiger und unabhängiger Vermögensberater zur Verfügung.

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[99] Diese nach dem Wirtschaftswissenschafter Irvine Fisher benannte Gleichung ist in gängigen Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre enthalten; siehe z.B. Mankiw, Macroeconomics5, 2003, S. 89.
[100] Fisher, Stabilizing the Dollar, 1920, bzw. Fisher, The Money Illusion, 1928.
[101] Shafir/Diamond/Tversky, Money Illusion, in: The Quarterly Journal of Economics, 1997, S. 344.
[102] Shafir/Diamond/Tversky, Money Illusion, in: The Quarterly Journal of Economics, 1997, S. 366.